Was macht einen Arbeitgeber zu einer attraktiven Employer Brand? Mit dieser Frage beschäftigt sich Jan Willand von menschmark seit vielen Jahren. Wie man den Fachkräftemangel erfolgreich bekämpft, welche Strategien er empfiehlt und warum Employer Branding nicht immer ein Must-Have ist, hat er mir im Interview verraten. 

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Jan, stell dich kurz vor – was machst du, wer bist du und wenn ja, wieviele?

Ich bin seit über 15 Jahren in der Vermittlung und Vermarktung von Arbeitgeberattraktivität aktiv – dem sogenannten Employer Branding. Mittlerweile wage ich zu behaupten, dass ich mich in diesem Themenfeld ganz gut auskenne. Wieviele bin ich? Ich bin einerseits pragmatischer Stratege, andererseits Visualisierer. Mich treibt dabei immer die Überzeugung an, dass Gutes aus sich selbst heraus entsteht. 

Was genau verbirgt sich denn hinter dem Buzzword „Employer Branding“? 

Zusammengefasst: Employer Branding ist für die meisten Unternehmen eine der Antworten auf das Thema Fachkräftemangel. Im Kern geht es darum herauszufinden, warum Menschen in meinem Unternehmen gerne arbeiten bzw. arbeiten sollen und das auf dem internen und externen Arbeitsmarkt zu kommunizieren. Natürlich immer mit dem Ziel Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. 

Ist Employer Branding ein absolutes Must-Have?

Wirft man einen genauen Blick auf die HR-Branche, könnte der Eindruck eines Must-Haves entstehen. Wer sich heutzutage in einem Arbeitnehmer dominierten Markt abheben möchte, muss auf das richtige Branding setzen. Das Ganze noch mit einer klaren Botschaft garnieren, um den Bewerbern das Gefühl zu geben, dass kein Weg an seinem Unternehmen vorbeiführt. 

„Sehr häufig wird der Branding Aspekt mit dem reinen Personalmarketing verwechselt.“

…du siehst das differenzierter?

Sehr häufig wird der Branding Aspekt mit dem reinen Personalmarketing verwechselt. Bevor ich mir Gedanken über Stellenanzeigen und Webdesign mache – beides sehr wichtige Elemente aber andere Disziplinen – sollte ich erstmal herausfinden, was mein Unternehmen überhaupt benötigt. Dazu kommt die Frage wieviele Bewerber man sucht. Lohnt sich der Aufwand um nur wenige Vakanzen im Jahr zu besetzen? Ganz klar nein! Lieber in ein gutes Recruiting investieren. 

Wer ernsthaftes Employer Branding betreibt, möchte eine Marke etablieren. Das braucht Zeit und Geld, um zu definieren, was diese Marke überhaupt darstellt. Welche Zielgruppen habe ich? Wie kann ich über Jahre so stark in den Markt kommunizieren, dass keine Fragen mehr offen sind. Ein mittelständisches Unternehmen mit geringem Budget könnte das an dieser Stelle gar nicht leisten. 

Profitiert auch die aktuelle Belegschaft von Employer Branding oder nur zukünftige Bewerber?

Im Idealfall tut sie das. Employer Branding ist zunächst eine interne Aufgabe, das bedeutet sich mit der Realität zu beschäftigen. Was ist positiv, wo sind die Schattenseiten? Nimmt ein Unternehmen die Aufgabe ernst, muss es sein Verhalten analysieren und ggf. anpassen. Das hat Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. Dabei sprechen wir schon von Employer Standing, also die Haltung, mit der ich mein Business aber auch das Recruiting ausführe. 

„In dem Moment, in dem man anfängt Fragen zu stellen, öffnet man ein Ventil.“

Wie wichtig ist darüber hinaus die Einbindung der Mitarbeiter in den Gesamtprozess?

In dem Moment, in dem man anfängt Fragen zu stellen, öffnet man ein Ventil. Das beutet die aktuelle Stimmung wird immer an die Oberfläche treten. Die meisten Unternehmen nehmen das zwar zur Kenntnis, stürzen sich aber auf die positiven Aspekte und machen daraus eine schöne Stellenanzeige. Eigentlich taucht man ganz tief in die Unternehmenskultur ein. Wie arbeiten wir? Wie agieren unsere Führungskräfte? Wissen meine Mitarbeiter wohin die Reise geht?

…Employer Branding also als eine Art Reisebegleiter?

Das Bild eines Reisebegleiters gefällt mir ganz gut. Der Fachbegriff im Marketing wäre dann eine Candidate Experience. Also die Frage wie ein Kandidat den Gesamtprozess der Bewerbung wahrnimmt. Kann ich ihn als Unternehmen im Sinne des Employer Brandings auf dieser Reise zufriedenstellend begleiten? Nicht nur bei der Einstellung, sondern auch darüber hinaus.

Was macht den Unterschied zwischen gelungenem Employer Branding und leeren „Standard“-Plattitüden?

Wenn wir von gelungenem Employer Branding im klassischen Sinne sprechen, dann bedeutet das seine Versprechen einzulösen. Idealerweise wird also die etablierte Wahrnehmung von der Realität unterstützt.

Wie kann ich das gewährleisten?

Im Produktbereich funktioniert das relativ einfach. Ein Unternehmen definiert wie es wahrgenommen werden möchte und gestaltet seine Kommunikation dementsprechend. Wenn BMW sagt „Freude am Fahren ist unsere Kernkompetenz“, dann werden sie ihre Außendarstellung und Produkte danach ausrichten. 

„Man kann nicht einfach entscheiden, dass man dynamisch und innovativ ist“

Im Unternehmensbereich gestaltet sich das schwieriger. Man kann nicht einfach entscheiden, dass man dynamisch und innovativ ist und alle Jobs nach dem Kredo formen. Was ist mit der Buchhaltung, dem Pförtner oder dem Lagerarbeiter – die interessiert das nicht. Ich kann mir die Welt nicht einfach so ausmalen, wie ich will und erwarten, dass alle mich verstehen.

…und die Plattitüden?

Im Grunde zählt Ehrlichkeit zu sich selbst. Kurz gesagt, du musst sympathisch und authentisch sein, um einen emotionalen Zugang zu schaffen, dann schreiben dir die Menschen auch Kompetenz zu. Es muss nicht immer alles in Zuckerwatte gepackt sein. Das kann man sich sparen – das glaubt einem sowieso keiner.

Wie steche ich als Arbeitgeber denn überhaupt noch aus der Masse heraus?

Generell ist Auffallen schwierig. Dafür muss man entweder sehr laut oder sehr penetrant sein. Sich mit kleinen Gruppen oder einzelnen Personen auseinanderzusetzen ist häufig besser, als Kampagnen zu fahren, die letztendlich nur Brunftgehabe sind. Die kosten Geld und Zeit ohne entspreche Präsenz zu erreichen. 

Wie immer gilt aber – diejenigen, die die kreativsten Ansätze haben und den Nerv einer Zielgruppe treffen, fallen am meisten auf. 

Macht es Sinn dabei seine Mitarbeiter als Recruiting Tool zu nutzen?

Das ist sogar essentiell. Der Einsatz von Mitarbeitern schafft Glaubwürdigkeit. Sie sind der Zielgruppe am nächsten und dadurch auch am sympathischsten. Im Zweifel haben sie sogar ein weites Netzwerk, von dem der Arbeitgeber profitieren kann. Das kann man ganz systematisch angehen und Influencer auf Makro-Ebene schaffen. 

…und der Nachteil?

Im Bezug auf mediale Kampagnen, fragt man sich, wie man mit dem dem zig-millionsten Testimonial Video noch einen Unterscheid machen kann Trotzdem wäre es kontraproduktiv diese Ressource nicht zu nutzen. 

Wie sehen erste Schritte zu einer attraktiven Arbeitgebermarke aus? 

Gutes entsteht aus sich selbst heraus. Man sollte sich also erstmal hinsetzen und ein paar grundsätzliche Fragen stellen. Welche Probleme soll das Employer Branding eigentlich lösen? In aller Regel lautet die Antwort: Wir haben Schwierigkeiten Fachkräfte zu finden und zu wenig Reichweite. 

Eine zweite Frage wäre, warum Employer Branding das Mittel der Wahl ist. Wie sieht der Recruiting Bedarf aus? Was nützt es dem Unternehmen, wenn ganz Deutschland weiß was für ein tolles Unternehmen es ist, dafür aber Ressourcen für operative Maßnahmen fehlen. 

„Unbedingt die Perspektive der Mitarbeiter und des Managements einholen“

…und die weiteren Schritte?

Unbedingt die Perspektive der Mitarbeiter und des Managements einholen. Die einen schildern die aktuelle Lage, die anderen sind Richtungsweiser. Nach diesen Gesprächen öffnen sich viele Themenfelder, da muss man erstmal sortieren und überlegen wie man im Anschluss verfährt. Bei der Kampagne ist dann gute Kommunikation gefragt. 

Gelingen diese Maßnahmen auch mit einem geringen Budget, wenn man die nötige Motivation an den Tag legt?

Die Frage ist immer an welchen Maßstäben und Erfolgen man sich misst. Möchte ich unter die Top 3 der beliebtesten Arbeitgeber kommen? Für so etwas braucht man einfach eine Menge Kapazitäten. Wer dagegen möchte, dass Mitarbeiter und Organisation die selbe Vision teilen, dann geht das auch mit weniger Aufwand. Das Wissen und die Identität stecken stecken bereits im Unternehmen, man muss sie nur zum Vorschein bringen. 

Denkst du, dass sich Unternehmen durch Bewertungsportale trotzdem unter Zugzwang sehen?

Ich bin definitiv kein Freund von Top-Arbeitgeber Listen. Sie beruhen auf kognitiven Bewertungen. Welchen Wert hat meine Aussage, wenn ich die Attraktivität der Telekom als Arbeitgeber einschätze, dort aber noch nie gearbeitet habe. Meistens haben die Rankings mit der Realität nicht viel zu tun. 

…und die Bewertungsportale?

Bewertungsportale können die Realität teilweise ganz schön verzerren und ein Unternehmen in Zugzwang bringen.

„Bewertungsportale können die Realität teilweise ganz schön verzerren“

Das habe ich selbst mal bei einem Bauunternehmen erlebt. Dort stimmte das Bild von einem gesunden mittelständischen Unternehmen, das sich gut um seine Mitarbeiter kümmert. Aufgrund einer unglücklichen Situation wurde eine Klagewelle losgetreten und das hat sich auf kununu niedergeschlagen. Jetzt verzerren diese wenigen schlechten Bewertungen natürlich das Gesamtbild und zwingen das Unternehmen zum handeln. 

Wo du gerade so schön aus dem Nähkästchen plauderst. Gibt es Best Practice Beispiele an denen man sich orientieren kann?

Das Ein Beispiel sind die Kolleginnen und Kollegen von Otto in Hamburg. Ich durfte bei der ersten Employer Brand mitarbeiten. Weshalb ich Otto als Best Practice ansehe ist nicht unbedingt der Entwicklungsprozess an sich, sondern, weil sie sich anschließend an das gehalten haben, was wir gemeinsam definiert haben. Sie haben ihre Brand gelebt. Auch heute noch betrachtet man das Thema dort ganzheitlich und bleibt am Ball. Das ist ein Punkt, den viele Unternehmen verpassen.

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