Warum arbeite ich eigentlich? Wie finde ich einen Sinn in meiner Arbeit? Genau diese Fragen hat sich auch Katrin Spohn gestellt und sich auf eine Reise nach dem „Bigger Picture“ begeben. Ob als Intensivkrankenschwester in der Schweiz, NGO-Mitarbeiterin in Sierra Leone oder aktuell als Unternehmensberaterin bei Philips. Innerhalb der Konzernwelt setzt sie sich nun täglich mit ihrem persönlichen Sinn auseinander und lässt das „Warum“ hinter ihrem Handeln nie aus den Augen. Ich habe sie zum Interview getroffen.

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Warum arbeiten wir überhaupt?

Ich denke das Arbeiten an sich beruht auf einer gesellschaftlichen Entwicklung, die natürlich von der Politik aktiv mitgesteuert wurde. Wir leben im Kapitalismus. Wer konsumieren will, muss Geld verdienen. Ganz hart gesagt, ist das das Grundprinzip. Geld bzw. Konsum gegen Arbeit. 

Arbeit gegen Lohn erscheint sinnvoll. Woher kommt über die monetären Gründe hinaus also das Bedürfnis nach Sinn?

Nach meinem Wechsel von der Intensivkrankenschwester in die Konzernwelt musste ich auch erst einmal wieder den Sinn in meiner Arbeit finden. Plötzlich war diese Frage viel schwerer zu beantworten. Das Tragische ist, dass viele Menschen gar nicht erst über das „Warum“ hinter ihrem Tun nachdenken, sie definieren sich nur über das Gehalt. Wer aber nur einen Konsumgedanken verfolgt, fühlt sich schnell verloren.

„Arbeit um der Arbeit willen ist gegen die menschliche Natur.“

Das Bedürfnis nach Sinn erinnert mich immer an ein Zitat von John Locke: „Arbeit um der Arbeit willen ist gegen die menschliche Natur.“ Wer jeden Tag einen Kuchen backen muss ohne die Beweggründe zu kennen, gibt sich wahrscheinlich mit einer Standardbackmischung zufrieden. Muss ich diesen Kuchen aber für einen Freund backen, gebe ich mir auf einmal viel mehr Mühe. Dann backe ich nicht nur um des Backens willens, sondern um einen Wert für meine Freundschaft zu schaffen. Mit Sinn arbeiten wir einfach produktiver, kreativer und leidenschaftlicher. Am Ende ist er ein Katalysator für Qualität. Das ist natürlich besonders aus Arbeitgebersicht wünschenswert.

Wie genau finde ich denn einen Sinn in meiner Arbeit?

Besonders wenn es um das Thema Arbeit geht, muss man zwischen zwei Fragen unterscheiden:  Ist das, was ich auf der Arbeit mache sinnhaft und was ist mein Sinn in der Arbeit? 

Jobcrafting kann hier ein toller Ansatz sein. Sich einfach einmal zu fragen wie der Traumjob denn eigentlich aussehen würde. Die Antwort kann man dann in den Kontext seiner aktuellen Tätigkeit setzen und sich auf die Suche nach dem großen Ganzen begeben. Dazu gehört natürlich auch Achtsamkeit und sich Auszeiten zu nehmen. Es ist auch vollkommen ok nur des Geldes wegen zu arbeiten. Manche Menschen finden ihren Sinn auch in anderen Aktivitäten.

Denkst du die Frage nach dem Sinn stellt sich besonders den jüngeren Generationen?

Auf jeden Fall, ein Hoch auf unsere Generation. Wir haben das Glück in einem reichen Land mit mehr oder weniger den gleichen Chancen aufgewachsen zu sein. Setzt man das in den Kontext der Bedürfnispyramide nach Maslow, dann befinden wir uns ziemlich nah an der Spitze. Das gibt uns die Möglichkeit herauszufinden wer wir eigentlich sind. Dazu gehört nicht nur die Reflexion nach innen, sondern auch nach außen. Dabei wird einem bewusst wie privilegiert man eigentlich ist und das erzeugt eine Art von Gerechtigkeitssinn. 

„Wir können und müssen die großen Fragen einfach jetzt stellen.“

„Ich muss doch irgendwas bewegen, hier muss was passieren und ich will ein Teil davon sein.“ Wir können und müssen die großen Fragen einfach jetzt stellen. Dieser Wandel ist wichtig. Der Sinn kann die Richtschnur in unser schnelllebigen Welt sein. Ich hoffe allerdings, dass wir und auch die nachfolgenden Generationen in ihrer Suche weg von einem Ich hinzu einem Wir in ihren Antworten kommen. Denn das Wir ist entscheidend. Momentan ist der Sinn noch sehr ichbezogen. Viel schöner wäre es als Gesellschaft zu fragen, was eigentlich der gemeinsame Sinn ist.

Wie können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bei der Sinnfindung aktiv unterstützen?

Jedes Unternehmen ist in der Verantwortung sich Gedanken über das Wohlbefinden seiner Mitarbeiter zu machen, auch um Fachkräfte zu behalten. Als Arbeitgeber muss ich mir also immer die Frage stellen, wie ich meine Mitarbeiter dabei unterstützen kann einen Sinn zu finden. In wirklich klassisch hierarchiegesteuerten Unternehmen erweist sich das als eher schwierig. Hier braucht es Kulturwandel, offene Kommunikation und ein modernes Mindset. Dieser Umbruch erfolgt nur über gut funktionierendes Change Management. Dabei muss man meistens erstmal die Kopfebene überzeugen, bevor man die Herzebene erreicht. 

Braucht Arbeit denn überhaupt einen Sinn oder kann man sich in der Findung auch verlieren?

Ich persönlich habe meine Werte gefunden und bin diesbezüglich relativ kompromisslos. Ich habe festgestellt, dass Menschen, die ohne Sinn arbeiten eine andere Qualität der Arbeit abliefern. Nicht unbedingt schlechter aber weniger leidenschaftlich und holistisch gedacht. Insofern braucht Arbeit schon einen Sinn. Ich denke aber viel wichtiger als die Beantwortung der Frage, ist es sich diese überhaupt erst einmal zu stellen. 

„Die stetige Wachstumsökonomie wird in dieser Form nicht mehr lange existieren können.“

Wie schätzt du die gesellschaftliche Entwicklung ein? Wird das „Warum“ immer wichtiger?

Wir denken immer mehr in gesellschaftlichen Sphären. Was ist der Wertbeitrag meiner Arbeit zur Gesellschaft? Die stetige Wachstumsökonomie wird in dieser Form nicht mehr lange existieren können. Unternehmen, die Bestand haben wollen, müssen sich die Frage nach dem höheren Sinn stellen. Wir alle müssen uns fragen in welcher Gesellschaft wir leben möchten. Dieser Wandel passiert jetzt. Wir schreiben gerade Geschichte und sind Zeitzeugen von etwas sehr Großem. Das ist natürlich irgendwie angsteinflössend aber macht auch Hoffnung auf die Zukunft.

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