Wir leben in einer leistungsorientierten Gesellschaft. Wer Anerkennung möchte, muss eine entsprechende Performance abliefern. Bereits in jungen Jahren werden wir nach unseren schulischen, sportlichen oder sozialen Erfolgen bewertet. Der Zwang perfekt zu sein ist eine logische Schlussfolge daraus. Besonders jüngere Generationen leiden zusätzlich unter dem ständigen Druck sich in den sozialen Medien messen zu müssen. Viele haben den Sinn für das gesunde Mittelmaß verloren – gut ist oft nicht mehr gut genug. Was also, wenn Perfektionismus krankhaft und zum Stressfaktor wird?
„Ich will perfekt sein!“
Wissenschaftler haben drei Arten von Perfektionismus identifiziert. Der auf sich selbstbezogene ( hoher Anspruch an sich selbst ), der sozial vorgeschriebene ( hohe Ansprüche an Andere ) und der fremdorientierte ( hohe Ansprüche von außen ). Frauen und Männer sind dabei heutzutage gleichermaßen von dem Hang zum Perfektionismus betroffen. Der Spagat der Frau zwischen Kind und Karriere stehen den Ansprüchen an den Mann als Familienoberhaupt und Führungskraft in nichts nach. Beide wollen ihre Rollen, egal ob im Privatleben, sozialem Umfeld oder Beruf, bestmöglich ausfüllen. Der Drang zur Perfektion kann dabei schnell das gesamte Leben bestimmen. Das führt nicht selten zu Verbissenheit und endet in einer Abwärtsspirale aus Versagen, Isolation und fehlender Akzeptanz.
Perfektionismus kann krank machen
Nicht jeder Mensch, der hohe Anforderungen an sich und seine Umwelt stellt, ist ungesund perfektionistisch. Im Gegenteil, Menschen, die nach Vollkommenheit streben, leisten meist Herausragendes. Der Wunsch nach Anerkennung ist in jedem von uns verankert. Ein gesunder ( funktionaler ) Perfektionismus zeichnet sich durch hohe Erwartungen an sich selbst aus. Diese beeinflussen das Umfeld und einen selbst aber nicht weiter negativ. Das Streben nach Höchstleistungen wird mehr zur Leidenschaft und Lebenseinstellung. Erfolge werden entsprechend gefeiert. Perfektionismus wird immer erst dann zum Problem, wenn die Angst Fehler zu machen das Handeln bestimmt. Der ungesunde ( dysfunktionale ) Perfektionismus zeichnet sich durch neurotisches und übermäßig kritisches Verhalten aus. Doch nicht jeder ehrgeizige Erwachsene wird zum dysfunktionalen Perfektionisten. Forscher vermuten den Ursprung in der Kindheit. Wem im Elternhaus nur emotionale Kälte und Tadel für Fehler begegnet sind, setzt Perfektion mit Zuneigung gleich.
Perfektionismus stresst!
Das Erfüllen hoher Ansprüche ist anstrengend. Nicht selten endet es beim Arzt oder Psychologen. Übertriebener Perfektionismus kann sich auf viele Bereiche des Lebens auswirken. Besonders aber greift er die psychische und physische Gesundheit an. Stress regiert einen großen Teil des Lebens. Der Körper ist in ständiger Alarmbereitschaft. Das führt zu einem geschwächten Immunsystem und einer höheren Wahrscheinlichkeit für Infektionskrankheiten. Herzkreislauferkrankungen, Essstörungen oder Burnout sind die Folgen. Dieser permanente Panikmodus kann auch für Schlafstörungen, Depressionen oder Reizdarm verantwortlich sein. Krankhafte Perfektionisten haben, laut einer kanadischen Studie des Trinity College, eine 50% höhere Wahrscheinlichkeit früher zu sterben. Auch das Selbstwertgefühl leidet. Alles ist von der eigenen Perfektion abhängig. Das Streben Außergewöhnliches zu leisten belastet. Häufig sind Einsamkeit und soziale Isolation die Folgen.
Auch perfekt im Job?
Fatalerweise ballen sich Perfektionisten oftmals in Berufen, die viel Leistung erfordern.
Sie sind aber nicht zwangsläufig auch perfekte Mitarbeiter. Oftmals fällt es Ihnen schwer Aufgaben zu delegieren. Bei kleinen Fehlern reagieren sie übertrieben. Sie brauchen unnötig viel Zeit um eine Tätigkeit zu ihrer Zufriedenheit fertigzustellen. Andere, wichtigere Tätigkeiten bleiben unerledigt. Durch den permanenten Stress, dem sie sich selbst aussetzen, sind sie öfter krank und fehlen häufiger. Besonders der ungesunde Perfektionismus kann schädlich für Unternehmenserfolg und Arbeitsumfeld sein.
Perfekt unperfekt
Nicht jeder Perfektionist braucht eine Therapie. Sie ist nur dann sinnvoll, wenn das hohe Stresslevel dauerhaft zur Belastung wird. Unternehmen können sogar von perfektionistischen Mitarbeitern profitieren. Sie bringen hohe Leistungen, brauchen aber klare Strukturen und viel Lob. Wer perfektionistisch veranlagt ist, sollte sich regelmäßige Entspannungs- und Ruhezeiten gönnen. Außerdem kann es helfen sich mit sich selbst und der vermeintlichen Erwartungshaltung Anderer auseinanderzusetzen. Niemand verlangt ständige Perfektion. Im Gegenteil, kleine Fehler machen oft sympathisch und menschlich.
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